
Es ist ein recht düsteres, ein wenig verwackeltes Video, das den Beginn eines Skandals zeigt, wie es in ihm Skispringen selten gab – vielleicht noch nie. Alles dreht sich dabei um das norwegische Team, deren Anzüge und einen Material-Experten. Was ist beim Skispringen Skandal passiert?
Am 8. März 2025, einem Samstag, findet ein Video den Weg an die Öffentlichkeit, das nächtliche Aufnahmen in einem abgedunkelten Raum zeigt. Klar und deutlich zu sehen ist Magnus Brevig, ein ehemaliger Skispringer und damaliger Trainer der norwegischen Skispringer. Auch ein Material-Experte ist zu sehen, der gerade ziemlich beschäftigt mit einer Nähmaschine zu sein scheint.
Experten der Szene erkennen schnell, dass sich der Material-Experte an den Anzügen der norwegischen Skispringer zu schaffen macht. Und sie wissen: Hier kann es sich nicht um eine erlaubte Anpassung handeln, sondern um eine Manipulation.
Für den Laien zeigt das allein schon das Setting mit abgedunkelten Scheiben und den nervösen Blicken Brevigs.
Als das Video aufgenommen wird, sind die Skisprung-Wettbewerbe bei der Weltmeisterschaft in der nordischen Kombination in vollem Gange. Am nächsten Tag stehen die finalen Springen an.
Und am Morgen von diesem 9. März 2025 legten drei Nationen Protest ein: Österreich, Polen und Slowenien. Die Offiziellen hatten der Teams hatten offensichtlich das Video gesehen.
Aufgrund des Protests sieht sich ein unabhängiger Materialkontrolleur die Anzüge der Norweger an und beurteilt sie als regelkonform. Die beiden Norweger Marius Lindvik und Johann Andre Forfang dürfen springen – und Lindvik holt die Silbermedaille.
Doch nach dem Springen werden ihre Anzüge aufgeschnitten und es wird ein steifes Band entdeckt, das eingenäht wurde. Ein klarer Verstoß gegen die Regelungen. Beide Norweger werden nachträglich disqualifiziert.
Noch am 9. März geben die Norweger die Manipulation zu. Sportdirektor Jan Erik Aalbu tritt in Trondheim vor die Presse und erklärt, dass die beiden norwegischen Springer nichts von dem Betrug gewusst hätten. Die Fédération Internationale de Ski (FIS) kündigt Ermittlungen an, die das Ethik- und Compliance-Office in London durchführen soll.
Teil dieser Untersuchung ist ein weiterer Betrugsfall im norwegischen Team: Der norwegische Kombinierer Jörgen Graabak war wegen einer Manipulation seiner Skibindung disqualifiziert worden.
Doch die Ermittlungen starten denkbar schlecht, denn die Anzüge der aller norwegischen Skispringerinnen und Skispringer werden erst am 11. März eingezogen. Dem Team war 2 Tage Zeit geblieben, um mögliche Spuren zu verwischen.
Der Skispringverband von Norwegen suspendiert Brevig am 10. März 2025. Selbiges Schicksal ereilt auch einen direkten Mitarbeiter von Brevig, Adrian Livelten. Er soll an der Manipulation beteiligt gewesen sein. Die Freistellung von Assistenztrainer Thomas Lobben folgt einen Tag später.
Nun wird es kurios: Brevigs Nachfolger wird am 11. März 2025 bekanntgegeben. Es handelt sich um Bine Norcic, der bislang den B-Kader der norwegischen Skispringer betreut hatte. Doch nur drei Tage später, am 14. März 2025, tritt Norcic zurück.
Seine Begründung: Er will nicht den Kopf hinhalten, für Fehler, die andere gemacht haben. Das war ihm früh eingefallen.
Die erste Pressekonferenz zu den Ermittlungen im Skisprung-Skandal gibt die FIS am 13. März 2025, einem Donnerstag. Sie steigt passenderweise am legendären Holmenkollen, der Skisprungschanze in Oslo. Ein würdiger Rahmen.
Bei den Skisprung-Anzügen der Männer ergaben sich Verdachtsmomente für weitere Manipulationen, teilt die FIS mit. Also noch mehr Betrug als zunächst angenommen. Die Anzüge der norwegischen Skispringerinnen und die des Kombinierer-Teams sollen hingegen sauber gewesen sein.
In Norwegen reagiert man mit weiteren Suspendierungen. Es trifft die Skispringer Robin Pedersen, Robert Johansson und Kristoffer Eriksen Sundal. Zuvor hatten sie noch am Training für einen Wettbewerb in Oslo teilgenommen.
Norwegens Sportdirektor Aalbu ist weiterhin im Amt. Es scheint, also würde er den Skandal überstehen. Die beiden Skispringer Forfang und Lindvik beteuern unterdessen weiter ihre Unschuld.
Als Außenstehender ist es schwer zu glauben, dass sie nichts von der Manipulation mitbekommen haben, doch bislang ist nicht klar, ob sie langfristig gesperrt werden. Bislang wurden die Norweger bis zum Saisonende gesperrt, was fast erreicht ist.
Wie das WM-Ergebnis gewertet wird, ist ebenfalls unklar. Zunächst hatte es geheißen, dass dieses wohl bestehen bleibe. Besonders interessant ist das für den Deutschen Andreas Wellinger. Lindvik gewann im Einzel auf der Normalschanze Gold vor Wellinger.
Wenn ihm die Goldmedaille nun nachträglich aberkannt wird, könnte sie Wellinger bald in seinem Briefkasten haben. Eine Goldmedaille per Post, das hätte doch was.
Seit dem Skandal haben sich mehrere ehemalige Skispringer geäußert, die zu Stars der Sportart gehören. Besonders brisant waren die Aussagen des Norwegers Daniel-André Tande. Der ehemalige Skispringer erklärte, dass fast jeder in der Sportart ab und an die Ausrüstung manipulieren würde. Er gab auch zu, dass er selbst es „einige Male“ getan habe.
Tande erlaubte sich sogar die Spekulation, dass die FIS Sieger aus den Gastgeber-Nationen sehen wolle – und daher immer wieder wegsehe. Dieser Spekulation widersprachen allerdings viele ehemalige Skispringer.
Janne Ahonen sagte, dass er zwar nie die Anzüge manipuliert habe, dass er aber alle Vorschriften und Regeln ausgedehnt habe. Die finnische Skisprung-Legende gab, dass sie zu jeder Zeit Kenntnis darüber gehabt habe, dass das nicht legal war.
Die FIS kündigte an, dass der Skandal auch Änderungen im Regelwerk nach sich ziehen könnte. Es werde derzeit an einem transparenteren und vor allem strengeren Regelwerk gearbeitet. Dieses könnte im Frühjahr präsentiert werden, wenn alle Teams in Prag zusammenkommen.
Vorschläge für Regeländerungen gibt es unterdessen viele. Mika Kojonkoski, immerhin ehemaliger Nationalcoach und Boss des FIS-Skisprungkomitees, brachte ins Spiel, dass der Weltverband die Anzüge verwahren könnte. Diese sollten dann per Losentscheid an die Springer ausgegeben werden. Vor allem mit Bezug auf die unterschiedlichen Körpergrößen dürfte dieser Vorschlag allerdings schwer umzusetzen sein.
Es bleibt abzuwarten, für welche weitreichenden Folgen die FIS sorgen wird. Klar scheint, dass es eine Reaktion geben muss. Zu groß ist der Skisprung-Skandal.
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